Fischmännle Hopfensee

Im Einödhof Schraden lag einmal die Bäuerin mit ihren neugeborenen Drillingen in der Stube, als die Tür aufging und ein junger Wandersmann herein trat. Obwohl draußen die Sonne schien, tropfte der Kittel des Mannes vor Nässe. Die Frau, viel zu müd zum Fragen, sah wie der Fremde in die Wiegen guckte, in denen die Drillinge schliefen, worauf er, leise und grußlos wie er gekommen war, wieder die Stube verließ.

Acht Tage darauf, als die Mutter schon wieder ihrer Arbeit im Hause nachgehen konnte, geschah es, dass sie am Abend den drei Neugeborenen in der Schlafstube den Abendsegen geben wollte, aber zu ihrem furchtbaren Schrecken die Wiegen leer fand. Von den drei kleinen Büble fehlte jede Spur. Ein talergroßer Wasserfleck am Boden vor jeder der drei Wiegen, war das einzig Auffällige.

Auf die Jammerrufe der armen Mutter eilten die Nachbarn herbei. Mit Dreschflegel und Mistgabeln eilte man nach allen Richtungen dem vermeintlichen Kindsräuber nach.

Aber man fand weder einen Räuber noch eine Spur von den drei verschwundenen Kindern. Erst nach einigen Tagen entdeckte man am Ufer des Hopfensees die Windeln der drei Kleinen, fein säuberlich gebündelt.

Nun wusste man, dass niemand anders als das Fischmännle der Räuber gewesen sein konnte. Die armen Kleinen aber mussten in der Tiefe des Sees fortan seine Buben und Knechte sein. Noch lange konnte man an stillen Sommerabenden die Büble aus dem Seegrund nach ihrer Mutter jammern hören. Die drei Wasserflecken in der Stube aber sind nie eingetrocknet.

Am westlichen Ufer des Hopfensees hat noch im Jahr 1840 ein Bildstöckle, dessen Täfele drei leere Wiegen zeigte, an diese traurige Geschichte erinnert.

Hopfensee
Hopfensee

Schraden gehört zur Gemeinde Hopferau. Der Namen leitet sich von dem Familiennamen Schrädi ab und wird erstmals im Jahr1467 genannt. (Thaddäus Steiner, Historisches Ortsnamenbuch, Band Füssen)

 

Der Wassermann ist eine Gestalt aus vielen Sagen, Mythen und Märchen und kommt im gesamten europäischen Raum vor. Er ist von eher bösem Charakter, tritt aber auch ambivalent auf. Im Gegensatz dazu ist die Wasserfrau eher gutmütig und den Menschen wohlgesinnt. Ältere Sagen schildern den Wassermann nicht als grausam oder böse, sondern lediglich als launisch und wechselhaft, wie das Element Wasser. Flussmännern wird nachgesagt, dass sie Stürme entfesseln können, aber auch Menschen vor der Gefahr des Ertrinkens warnen.

Es könnte sich bei der vorliegenden Version um den Rest einer Initiationssage handeln, die vielleicht ursprünglich einen anderes Ende hatte. In Initiationssagen geraten Kinder mit einem anderes Reich in Kontakt, haben dort Prüfungen zu bestehen und kommen reich beschenkt zurück. Vgl. die Goldmarie im Märchen "Frau Holle". Der Eingang zur Welt der Frau Holle ist z.B. ein tiefer Brunnen.

 

Die Geburt von Drillingen wurde sicher als Zeichen dafür gesehen, dass diese Kinder eine außergewöhnliche Bestimmung haben.

In manchen Kulturen galt die Geburt von Zwillingen als für den Menschen widernatürlich oder Unheil verheißend. Zwillinge wurden verachtet und zum Teil sogar getötet.

"Sind [die Kinder] Zwillinge, so verlangen verkehrte Begriffe von Anstand und Familienehre, daß man eines der Kinder umbringe. Zwillinge in die Welt setzen, heißt sich dem allgemeinen Spott preisgeben, heißt es machen wie Ratten, Beutelthiere und das niedrigste Gethier, das viele Junge zugleich wirft. Aber noch mehr: Zwei zugleich geborene Kinder können nicht von Einem Vater seyn [...] Um des Hausfriedens willen nehmen es alte Basen der Mutter oder die mure japoic-nei [Hebamme] auf sich, eines der Kinder auf die Seite zu schaffen." (Gesammelt von Alexander von Humbold)

 

Sagen über Zwillinge oder Drillinge, die in einer "anderen Welt" erzogen werden, gibt es in ganz Europa. Die bekannteste davon ist die Sage von Romulus und Remus, die am Tiber ausgesetzt werden und von der Wölfin gesäugt werden.

Aber auch in den Dolomiten findet sich die kraftvolle Sage des Volkes der Fanes. Hier gebiert die Faneskönigin Zwillingsmädchen: Dolasila und Lujanta. Dolasila wird zu einer Kriegerin erzogen und Lujanta geht ins Reich der Murmeltiere, mit denen die Fanes ein Bündnis haben.

 

Erinnert sei auch an die Söhne der Leda (mit dem Schwan) im griechischen Sagenschatz: Castor und Pollux, die in der selben Nacht von unterschiedlichen Vätern gezeugt wurden und die dann nach ihrem Tod als Sternbild Zwilling an den Nachthimmel gesandt werden.

 

In der Sage vom Fischmännle findet sich auch das Motiv der Wöchnerin, die für Geistwesen besonders anfällig ist.

Ursprünglich war es so, dass eine Frau, die geboren hatte, als gesegnet galt, weil sie als mit Fruchtbarkeit begnadet angesehen wurde. Im Christentum ändert sich das dahingehend, dass eine Wöchnerin erst durch den Pfarrer ausgesegnet werden musste, da sie durch die Geburt "unrein" geworden war. Denn schließlich war auch das neugeborene Kind von der Erbsünde beschmutzt und musste erst in der Taufe reingewaschen werden.

So lange die Aussegnung nicht erfolgt war, durfte die Wöchnerin nicht die Kirche besuchen. Aus Tirol sind mehrere Sagen überliefert, in der einer unausgesegneten Wöchnerin das Kind von Geistwesen gestohlen wurde, oder sie sogar selbst von mythischen Wesen entführt wurde.