Herren Neunhofen

Die Herren zu Neunhofen.

Die Herren von Neunhofen besaßen vor alten Zeiten neun Höfe in dem gesegneten schwäbischen Allgäu: Ebenhofen, Ruderatshofen, Ummenhofen und andere, die in einem Umkreis von wenigen Stunden, ursprünglich wohl als Maier-Höfe bestanden, durch die Obsorge und Sparsamkeit der Besitzer aber im Verlauf der Jahre zu stattlichen Dörfern anwuchsen, wie sie noch heutigentags zu sehen sind. Die Herren waren angesehene Edelleute in der Gegend, und sie lebten ihrem Stande gemäß in Reichtum und Überfluß, den sie aber zur Vermehrung und Verbesserung ihres Einkommens wohl zu benutzen wußten. Aber den Vätern waren die Söhne nicht gleich; was jene mit Mühe und Sorge erworben, das vergeudeten diese in Leichtsinn und Übermut. Besonders war einer unter den Abkömmlingen, der, je mehr er Gelder verpraßte, desto mehr von den armen Leuten erpreßte. Es geht die Sage: Eine arme Witwe, Mutter von sieben Kindern, die er von Haus und Hof verjagt, habe eines Tages den Fluch über ihn und sein Geschlecht ausgesprochen. Und der Fluch ist auch mit der Zeit in Erfüllung gegangen. Denn die Nachkommen desselben, durch Unglücksfälle aller Art genötigt, mußten Gut um Gut verkaufen, so daß ihnen zuletzt nichts mehr verblieb. Und der letzte Herr von Neunhofen, der diesen Namen führte, starb in Kaufbeuren, wie es noch alte Leute dort wissen, auf einer Bank an offener Straße, arm und elend.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus"

Wenn in Sagen eine Witwe beschrieben wird, ist dies meistens ein Hinweis auf ein altes mutterrechtliches Besitzrecht von Frauen, die noch als Älteste ihrer Sippe das Eigentum verwaltet (Mutter von sieben Kindern) Die Sage schildert, wie unrechtmäßig dieses alte Besitzrecht der Frau entzogen wird. Es stellt den Konflikt beim Übergang vom Matriarchat zum Patriarchat dar. Die Gerechtigkeit wird jedoch auf der Seite der Witwe gesehen und so verwirklicht sich ihr Fluch. Der "Diebstahl" bringt keinen Segen und die Herren Neunhofen sterben glücklos und verarmt.