Bruder Ulrich

Der seelige Bruder Ulrich, der am 04. Jänner 1388 gestorben sein soll, wird erstmals in den Unterlagen des Klosters St. Mang in Füssen im Jahr 1621 erwähnt. Bis zum heutigen Tag hält sich die Überlieferung in Musau und Pinswang, Bruder Ulrich sei ein büßender Ritter oder ein Pilger aus Rom gewesen, der sich in Musau als Eremit niederließ. Sein Wanderstab und seine Feldflasche werden in Musau aufbewahrt. Über seinen Tod erzählt die Legende:

Zwei zahme Ochsen, die man vor den Wagen spannte, waren auch mit Schlägen nicht von der Stelle zu bewegen. Zwei wilde, junge Stiere aber zogen zur Verwunderung aller den toten Ulrich über den reißenden Lech nach Pinswang. Sie hielten auf dem Hügel, wo heute die Pfarrkirche steht, und ließen sich nicht mehr weitertreiben. Man wollte Ulrich im nahen Kloster St. Mang in Füssen bestatten, jedoch ließ sich der Leichnam nicht mehr von der Stelle bewegen. Als man im nackten Felsen ein bereits ausgehobenes Grab entdeckte, begrub man ihn in Pinswang. In der Nacht senkten sich zwei brennende Kerzen wie von unsichtbarer Hand getragen vom Himmel herab  und blieben am Grabe stehen. Man erkannte das Zeichen des Himmels und errichtete über dem Grab eine Kapelle.

Nachfolgende Bilder mit freundlicher Genehmigung aus dem Buch "900 Jahre Pinswang" entnommen, erschienen im Eigenverlag der Gemeinde Pinswang

Leichnam Ulrichs
Leichnam Ulrichs
Ulrichslegende Pinswang
Ulrichslegende
Grablege Ulrichs
Grablege Ulrichs

Unzweifelhaft geht diese Legende auf die Hl. Notburga von Eben (gestorben 1313) zurück. Das Attribut der Hl. Notburga ist eine Sichel. Dies deutet auf einen Zusammenhang mit der Mondverehrung (Mondsichel) hin. Notburga hängte ihre Sichel beim Feierabendläuten an einen Sonnenstrahl. Möglicherweise gibt es hier einen Zusammenhang zu der Sage vom Kratzerweiblein, die ganz in der Nähe in einer Erzhöhle hauste, und welche man nur nach dem Feierabendläuten antraf.

Pinswang entwickelte sich rasch zu einem Wallfahrtsort. Zwar wurde die Kirche dann dem Augsburger Bistumsheiligen St. Ulrich (Gedenktag 4. Juli) geweiht, aber die Wundertätigkeit des Ortes blieb mit dem seeligen Bruder Ulrich, bzw. dem Ortswesen, das sich darin spiegelt, verbunden. Auffallend viele Heilungen werden bei Kopfschmerzen, Blindheit und Augenkrankheiten überliefert.

Die Legende enthält eine Reihe von vorchistlichen Symbolen wie Stier, Fluß, Felsen und Lichtwunder. Dargestellt wird, wie die ungezähmten Stiere (oft in der alten Kultur ein Fruchtbarkeitssymbol) sich dem Vertreter des christlichen Glaubens (Bruder Ulrich) fügen und den Lech durchqueren (ein Bild für Übergang und Taufe). Das in den Felsen gehauene (bereit vorhandene) Grab kann als Opfergrube gesehen werden, die jetzt christlich durch den Leichnam des Bruder Ulrich belegt wird.