Alatsee

Alatsee
Alatsee

Sage vom Alatsee

Der Vogt von St. Mang in Füssen hatte einst für sein Kloster das Fischrecht im Alatsee von einer verarmten Frau gepachtet. Einige Zeit später aber behauptete er keck, das Fischrecht gehöre dem Kloster von alters her zu Eigentum. die betrogene Frau klagte zwar vor Gericht, aber der zungengewandte Vogt gewann den Prozess. Das Weiblein, das auf solche Weise um Hab und Gut gekommen war, fiel händeringend vor einem Kreuz am Seeufer nieder. Sie gelobte Gott und allen Heiligen, sich nicht mehr vom Platz zu rühren, bis der Himmel selbst ein Zeichen des Unwillens über das ungerechte Urteil gegeben habe. Da erhob sich am jenseitigen Ufer ein Donnern und Krachen und ein gewaltiger Bergrutsch riss zu Tausenden die Tannen in die Tiefe des Sees. Es heißt, man habe daraufhin im Kloster das Unrecht des Vogtes wieder einigermaßen gut machen wollen. Die Mönche hätten die arme Frau bis an ihr Lebensende versorgt und ihren Söhnen, als sie aus der Fremde zurückkehrten, eine Abfindung bezahlt. Gleichwohl aber rächte sich der alte Frevel. Das Mangenkloster erlebte an dem See keine Freude. Jedes Fischnetz verfing sich nämlich in den Wipfeln der auf dem Seegrund liegenden Tannen und nicht selten kamen Fischer mit ihren Booten zu Schaden. Das ist so geblieben bis auf den heutigen Tag. (Weitnauer, Allgäuer Sagen)

Wenn eine Frau Land (hier einen See) besitzt, dann muss sie in patriarchaler Zeit als alte Frau oder Witwe dargestellt sein, in mutterrechtlicher Zeit aber "gehörte" das Land der Muttersippe, die es gemeinsam urbar machte und bebaute. Die Mutter als Sippenälteste war das Zentrum der Sippe und deren Vertreterin. In dieses alte Recht hat das Kloster St. Mang eingegriffen und bekommt auch von einem Gericht recht. Die Gerechtigkeit bleibt jedoch erhalten und ein göttliches Zeichen bestätigt die Rechte der alten Frau an dem See.

Auch wenn wir keine konkreten Hinweise auf einen bestimmten Kultplatz haben, können wir trotzdem festhalten, dass das Gebiet Salober/Alatsee ein Bereich ist, in dem sich die matriacharchale Form der Almbewirtschaftung durch eine Sippengemeinschaft (vgl. es müssen auch noch Zahlungen des Klosters an die Söhne der alten Frau geleistet werden) sehr lange gehalten hat.

Die Wortsilbe AL- in Alatsee könnte darauf hindeuten, dass es sich um einen Ort der weißen Göttin handelt. Die Silbe AL- findet sich ebenfalls in AL-pen (schneebedeckte Berge), AL-uminium (weißes Metall), AL-bino (weißes Tier).

Schatzgang

Der Falkenstein soll einen ungeheuren Schatz bergen.

Weißensee und Falkenstein
Weißensee und Falkenstein

Venediger sollen einstmals einen unterirdischen Gang vom benachbarten Salober unter dem Alatsee hindurch bis nach Hohenschwangau gebaut haben. In diesem Gang hätten sie eine märchenhafte Fülle Goldes für kommende Fürsten aufgestapelt.

Wer als Flüchtling auf dem Berg Zuflucht suche und den Zugang zu dem unterirdischen Schatz finde, solle von den Schätzen nur soviel nehmen, als er zur Behebung seiner Not brauche; denn hinter solchen, die sich gierig bereichern wollten, schließe sich die eiserne Türe des Schatzgewölbes und gebe die so Gefangenen nicht mehr frei. Die im Gang herum liegenden Gerippe verhungerter Frevler seinen eine Warnung.

Die Sage spiegelt einen Grundsatz, der auch in vielen Märchen enthalten ist: Nur wer als Flüchtling oder in Not kommt, hat Zugang zu einem unterirdischen Schatz. Wer sich dabei als "Dieb" oder raffgieriger "Plünderer" erweist, findet den Ausgang nicht mehr und stirbt an seiner Geldsucht im Goldrausch.

Vom Schatz frei wird nur derjenige, der in der Lage ist, angemessen zu handeln und nicht auf seinen größtmöglichen Vorteil bedacht ist.

Auch diese Sage deutet einen vorgeschichtlichen Bergbau und/oder einen spirutellen Reichtum der alten Bewohner dieses Gebietes an.

Drei Fräulein

Drei Fräulein im Weißensee (ebenso Alatsee, Haldensee)

Drei Fräulein waren die Herrinnen des gesegneten Landes rund um den Aggenstein. Solange sie in friedvoller Eintracht lebten, war alles gut.

Aber eines Tages gerieten die drei Schwestern in Streit; jede wollte ihr Teil an dem schönen Besitz. Um die Mittagszeit standen sie auf dem Söller der Burg und schauten über den Gottesgarten hin. "Mir die Burg und das Land gen Mittag!" sagte die Älteste. "Das will ich für mich!" Rief die Jüngste. Die mittlere aber verwünschte ihre Schwestern: "Dass euch doch die Erde mitsamt dem Grund verschlänge!"

Ein fürchterlicher Donnerschlag war die Antwort. Es sah aus, als neigten sich die Berge über dem Tal zusammen. ein krachen und Bersten erfüllte die Luft, als ob das Weltende gekommen wäre. Die Tannen kamen in dichten Reihen den Berg herab, Felsblöcke sausten gegen das Haus, und tiefe Dunkelheit bedeckte das Land. Aus der Tiefe aber gurgelten die Wasser in wilden Bächen. Am Abend des bösen Tages aber war ein See entstanden.

Man hat nachmals die drei Fräulein noch oft aus dem Seegrund klagen hören. Auch aus dem Schilf rief am Mittag zur Stunde des Frevels noch eine Zeitlang eine langgezogene Stimme:

"Druje hands g'hött, jeda hauts g'wöllt,

Koina hauts kriat – schenk du mir die Liab!"

Wer auch immer den Versuch machte, die drei Unseligen zu befreien, es schlug stets fehl.

Einmal war es, als ob sich die Fräulein selber mit Gewalt die Erretter herbeiholen wollten: Drei Brüder aus dem Rheingau, Gabald, Heribald und Diebald, kamen auf der Rückkehr vom Heiligen Lande am verfluchten See vorbei. Sie waren müde von der langen Reise.

Auf einmal spitzten die Rösslein die Ohren und stürmten dem See zu, als wollten sie sich samt ihren Reitern hinein stürzen. Erschrocken fassten die Kreuzfahrer die Zügel kürzer. Sie brauchten alle Kraft, bis sie die Pferde wieder in der Gewalt hatten und auf die Straße zurücklenken konnten. Da war es, wie wenn ein hoher Klageton aus dem Schilf käme.

 

 

Die Sage von den "drei Fräulein" gehört zum ältesten Sagenstoff in den Alpen und hat eine große kulturhistorische Bedeutung.

 

Meist – so auch hier – wird der Übergang von einem paradiesischen Zeitalter in eine Zeit beschrieben, die von Streit, Spaltung und Zwietracht geprägt ist. Andere Namen für diese Drei-Einheit sind: drei Saligen, drei Bethen, die drei heiligen Madl.

Zu den drei Aspekten dieser weiblichen Dreifaltigkeit gibt es folgende Zuordnung:

-         Morgenseite (Osten) Geburt, Licht, weiß, Katharina, Wilbeth

-         Mittag (Süden) Fruchtbarkeit, Fülle, rot, Margarete, Ambeth

-         Abendseite (Westen) Verwandlung, Anderswelt, schwarz, Barbara, Borbeth

 

Dieser Umbruch wird als eine Art Weltuntergang beschrieben. Ursprünglich gibt es einen gemeinschaftlichen Besitz der drei Fräulein, eine Form, die kennzeichnend für das Matriarchat ist. Dann entsteht Streit, der Besitz soll individualistisch getrennt werden. Diese Besitzform kommt im Patriarchat auf.

Wann es, historisch gesehen, zu dieser Umwälzung gekommen ist, ist umstritten. Möglicherweise hat es mutterrechtliche Kulturen bis in die Antike gegeben.

In Rückzugsgebieten, wie den Alpen haben sich matriarchale und keltische Elemente vermischt und bilden bis heute die Grundlage des Volksglaubens.

 

Besonders gehäuft finden sich in Sagen die Hinweise auf ein Besitzrecht von Frauen und ein altes Volk in dem Gebiet zwischen dem Alatsee, Pfronten und dem Tannheimer Tal.

Selbst in der Magnuslegende (aufgezeichnet im 9. Jahrhundert) nimmt der Heilige seinen Weg über den Mangenacker unterhalb des Aggenstein hin zum Salober um von dort nach Füssen zu gelangen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass er in diesem Gebiet wohl noch eine starke Kultur vorfand, die er christianisieren wollte.

 

Analog zum Christentum wird in der Mythologie die Frau nicht mehr als umfassende Urmutter, sondern als erlösungsbedürftiges, klagendes Wesen gesehen. Der weiblichen Trinität der drei Fräulein wird eine männliche Trinität der drei Brüder Gabald, Heribald und Diebald gegenüber gestellt. Alle drei Namen enden auf "–bald". Mythologisch gesehen könnte dies ein Hinweis auf Balder/Baldur sein. Gott Baldur entspricht dem Apollon in der griechischen Mythologie. Balder steht für reines Licht, das Gute und die Gerechtigkeit.

Balder ist auch die Personifizierung der Sonne und wird am Tag seiner scheinbaren Unverwundbarkeit, der Sommersonnenwende, durch eine List des Loki mit einem Mistelzweig getötet.

Vielleicht ist der "fehlgeschlagene Erlösungsversuch" in der Sage eine Umdeutung von Sonnwendopfern oder Feiern, die am Weißensee und am Alatsee stattgefunden haben. Deren Sinn es war, den Zugang zu dem ehemaligen Paradies der drei Fräulein wieder zu öffnen.

Morgenseite” der Dreiheit war der Platz der Geburt des Lichtes, des Lebens und des Wissens. Seine Leitfarbe war Weiß. Möglicherweise steht dies in Beziehung zu dem Namen "Weißensee".

Die drei Ritter Gabald, Heribald und Diebald stammen aus dem Rheingau. In anderen Sagen kommen ähnliche Retterfiguren aus Köln am Rhein. Diese Lokalisierung gibt Rätsel auf. Es könnte jedoch darauf angespielt sein, dass sich im Gebiet des Rheins zwischen Worms und Köln noch sehr lange eine matriarchale Kultur gehalten hat. Insbesondere die Verehrung der drei Bethen ist hier lange verwurzelt geblieben.