Versunkenes Dorf Almejurtal

Im Almajurtal bei Kaisers wurde in grauer Vorzeit ein ergiebiges Silberbergwerk betrieben, das die Bewohner des nahe gelegenen Dorfes reich, aber auch übermütig machte. In ihrem verblendeten Stolz meinten die Dörfler, die Sonne, das Tagesgestirn, gar nicht mehr zu brauchen. Sie wollten ihre Häuser selben beleuchten und schlossen am hellen Tag die Fenster und Türen gegen jeden Sonnenstrahl ab. Bald war das Maß ihrer Frevel voll. Als Strafe für diesen Hochmut versank in einer Sturmnacht das ganze Dorf mit der Kirche und den Menschen. Ein Hägerauer Bauer, der einmal zur nächtlichen Stunde über die Alpe ging, geriet unversehens in einen unterirdischen Gang. Zuerst tastete er sich im Finstern weiter, dann zündete er eine Kerze an und geriet schließlich in einen weiten, hohen Raum, in die gewölbte Kirche des einstigen Dorfes. Auf dem Altar brannten viele Kerzen auf silbernen Leuchtern. Im hintersten Betstuhl saß ein alter, schlafender Mann, den die Schritte des Bauern aufweckten. Der Alte fragte den Hägerauer nach dem Jahr der Zeitrechnung. Als er sie gehört hatte, sank er mit dem Seufzer: Es ist noch nicht Zeit! wieder in seinen Schlaf zurück.

Den Bauer fasste das Entsetzen und er floh ins Freie, nahm aber vorher vom Altar einen silbernen Leuchter mit. Zu hause erzählte er seiner Frau das schaurige Erlebnis und zeigte ihr den Leuchter. Dann legte er sich schlafen. Am nächsten Tag war er eine Leiche. Sooft man später den unterirdischen Gang auch suchte, es war immer umsonst.

Reiser, Zingerle, Alpenburg


In einer anderen Version der Sage, überliefert von Heyl, heißt es weiter:

In der Nähe der Sennhütte hört man oft ein seltsames, unheimliches Klingeln, als käme es von dem Läuten weit entfernter Kirchenglocken. Es lassen sich nämlich die silbernen Glocken der versunkenen Dorfkirche aus dem Erdinnern heraufhören. Ein Hirtenknabe, so geht die Prophezeiung, wird einst mit seinem Stecken auf den goldenen Turmknopf  stoßen und die silbernen Glocken auffinden.


Tatsächlich ist es erweislich, dass früher auf der Boden- und der benachbarten Erlachalm Erz gegraben wurde. Die Hütte, worin die Bergknappen gewohnt haben sollen, wurde von der Gemeinde Kaisers zum Schießstand umgewandelt.

Beim Bau der Sennhütte "auf dem Boden" stieß man auf Mauerwerk, ein Stück der Mauer wurde auch vom Vallesinbach bloßgelegt, wahrscheinlich ein Rest des einstigen Schmelzofens.


Die Sage ähnelt der Sage vom dornigen Bühl bei Deutenhausen (bei Schwangau). Es kann sich in der Sage um die Erinnerung an eine alte Kultur handeln.