Alpsudel Hahntennen

Die Alpsudel war eine sehr schöne, junge Frau, aber hoffärtig und stolz. In ihrer Böswilligkeit trieb sie des öfteren ihren Nachbarn das Vieh an den jähen Felsrand, wo es dann in den Abgrund stürtze und jämmerlich verendete. An diesem Gebrülle des abstürzenden Tieres erfreute sie sich. Nachihrem Tode fand sie aber selbst im Grabe keine Ruhe. Sie trieb nun als Geist in Nebel und Wolken eingehüllt und von einer Herde wilder Stiere begleitet, im nächtlichen Reigen ihr Unwesen weiter.

Sowohl Hirten als Jäger scheuten sich, nachts über den Hahntennen zu gehen. Einmal nun wanderten drei Lechtaler über das Joch nach Imst und gerieten unterwegs in die Nacht. Da brauste ein mächtiger Sturm mit hochaufbetürmten Wolken von drei Seiten heran. Von der vierten Seite stürmte die Alpsudel mit ihren feurigen Stieren dem Hahntennen zu. Der nächtliche Spuk ging los. Die drei Lechtaler fanden endlich eine schützende Alphütte. Einer verspürte Hunger und rief in die Nacht hinaus: Alpsudel, koch mir eine Pfanne voll Nudeln! Gleich erschien die Alpsudel, schürzte sich die Ärmel auf und kochte Nudeln. Sie stellte die gekochten Nudeln auf den Tisch und sagte zu dem Hungrigen: "Da iß! Issest du aber die Nudeln nicht sauber auf, so reiß ich dich zusammen, so klein wie Staubkörner!"

Die Lechtaler aber konnten das Essen nur zur Hälfte vertilgen. Die Köchin wollte schon den vorwitzigen Lechtaler packen, da fiel ihm der rettende Gedanke ein. Er steckte die Nudeln in seine Taschen sagte kalt zur Alpsudel: Na, so haben wir es nicht ausgemacht, ich werde die Nudeln eben später fertig essen! Die Alpsudel wurde wütend und brauste heulend mit ihrem Gefolge davon. Am hellen Morgen verließen sie die Hütte und einer meinte: Über den Hahntennen gehen wir nimmer!

Christian Schneller

In der Sage ist eventuell auf ein Opferplatz an der Passhöhe des Hahntennenjoch Bezug genommen. (Vieh, das in die Tiefe gestürzt wird) Wilde Stiere werden oft als Symbole für den vorchristlichen Glauben verwendet.

Vielleicht mischen sich in der Sage zwei verschiedene Geschichten. Die Alpsudel erscheint auch als Wettermacherin