Die seltsame Kröte

Die seltsame Kröte

Eines Abends ging eine Dirne von Dörflein Bach nach Hause und sah am Wege eine große dicke Kröte sitzen und sprach: "Geh aus dem Wege! Ich will dich dafür gerne pflegen, wenn du einmal ins Kindbett kommst," und lachte dazu.

Nach drei Wochen kam ein Mann zur Dirne und sagte, sie solle mit ihm gehen und das der Kröte gegebene Versprechen einlösen. Die Dirne folgte dem Manne in den Wald zu einer einsamen Hütte und fand wirklich eine Wöchnerin im Bett liegen. Diese pflegte sie fleißig als Wärterin. Als die Zeit um war, ging sie nach Hause. Beim Abschied aber gab ihr der Mann einen Sack voll Kohlen mit der Bemerkung, ihn beileibe nicht vor zu Hause zu öffnen. Die Dirne aber meinte, die ganze Welt würde sie auslachen, wenn sie als Lohn nichts als einen Sack voll Kohlen heimtrüge, öffnete den Sack am Wege und schüttete die Kohlen aus. Zu Hause sah sie zu ihrem Erstaunen am Zipfel des Sackes Golstücke hängen: es waren Teilchen von den Kohlen, die im Sack geblieben waren und sich in Gold verwandelt hatten. Eiligst rannte die Dirne zum Walde zurück; aber sie fand nicht mehr den Weg, den sie zurückgegangen war. All ihr Suchen nach den leichtsinnig weggeschütteten Kohlen blieb vergebens.

 

Reiser

Sagen von der Verwandlung von scheinbar wertlosen Dingen in Gold gibt es z.B. in Vils oder am Bergzug des Salober. Manchmal deuten sie auf ein altes Bergbaugebiet oder einen Wert oder Schatz "aus einer anderen Welt" hin, der von dem Beschenkten nicht geachtet wird und deswegen verloren geht. Hier hat die Dirne Angst davor verlacht zu werden und vergibt deswegen den Lohn für ihre Hilfsbereitschaft. Wie in der Sage "die wilden Leut von Nesselwängle" handelt es sich um ein Motiv von Einweihung in die Aufgaben als Mutter und Frau, wie es auch im Märchen von der Frau Holle vorkommt.

Kohlen spielen in mehrfahrer Hinsicht im Volksglauben eine bedeutende Rolle. Sie wurden sowohl als Medizin, also auch zu Weissagungen gebraucht. Sie stehen für Verwandlung: Feuer zu Kohle, Kohle (Erde) zu Gold (Getreide, Fruchtbarkeit).

Die Kröte ist ein häufiges Symbol für die Fruchtbarkeit. Mit dem "Hauskrott" kommen die Seelen der Verstorbenen zurück ins Haus um wiedergeboren zu werden. Dem Hauskrott wird daher ein freier Zugang zum Wohnhaus ermöglicht und er wird an Festtagen, die in engem Zusammenhang mit den Verstorbenen stehen, z.B. Allerheiligen, regelrecht bewirtet.

Kröte und Schlange sind die ältesten Symbole, bzw. Begleittiere der Muttergöttin. Siehe auch die Sagen von der Ödenalp/Tannheimer Tal und "Die wilden Leut von Nesselwängle".