Kindbetterin und wildes Weib

Eine Kindbetterin stand einmal auf, ohn sich zu segnen, und ging in die nächste Kirche, sich fürsegnen zu lassen. Als sie heimkam und am Herde stand, rief ein älteres Kind, welches auf dem Herde saß: "Oh je, hat doch die Mutter eine haarige Zunge!" Da sah man erst, dass es nicht die rechte Mutter war, sondern ein wildes Weib, welches die rechte Mutter auf dem Gange zur Kirche zerrissen hatte.

Reiser

Nach kirchlicher Vorstellung ging man davon aus, dass durch eine Geburt die Frau sich wieder mit der Erbsünde "befleckt", da ja das neugeborene Kind noch nicht getauft ist. Sie ist daher besonders anfällig für Geister und Wesen.

Tatsächlich sind Frauen nach der Geburt in einer besonders sensiblen Verfassung, die sie sehr wahrnehmungsfähig macht. Die Sage dämonisiert diese im Grunde positive Feinfühligkeit.